Bedrohte Schmetterlinge auf dem Hallenbadareal

Ampfer-Grünwidderchen (Rote Liste Nds.: Kat. 3=gefährdet) - nur eine von über 200 Schmetterlingsarten auf dem Syker Hallenbadareal (Bild: Juli 2021).

Der nachstehende aktuelle Leserbrief zu einem Artikel der Kreiszeitung spricht uns aus der Seele. Nicht das Blaue Ordensband, ein seltener Nachtfalter, bedroht das geplante Baugebiet, sondern das geplante Baugebiet bedroht diese und eine Vielzahl weiterer gefährdeter Schmetterlings- und anderer Tierarten!

Tendenziöse Fehlzündung

Zu „Problemfalter“, Syke-Seite, 30. März

Eine zündende Überschrift gehört zum journalistischen Handwerk. Allerdings entpuppt sich mancher Titeleffekt als tendenziöse Fehlzündung. „Problemfalter“ lautet die Headline eines Beitrags von Michael Walter, der sich mit dem Syker „Hallenbadareal“ beschäftigt. Fragt sich, wer welches Problem hat und wodurch es verursacht wird. Auf dem ehemaligen Weideland in aktuell „verwildertem“ Zustand plant die Stadtverwaltung Syke großflächigen Wohnungsbau. Den Plänen steht nun ein Gutachten der Oldenburger NWP Planungsgesellschaft entgegen, das dem blütenreichen „Offenland“ am südlichen Stadtrand eine vielfältige Flora und reiche Schmetterlingsfauna attestiert.

Während auf internationaler Ebene über Abkommen zum Schutz der Artenvielfalt debattiert wird, sind gerade auch die lokalen Situationen, Ereignisse und Entscheidungen von größter Bedeutung. In Syke ist bei dem Thema noch ganz viel Luft nach oben.

Walter engt die Berichterstattung auf einen „Problemfalter“ ein, das vom Aussterben bedrohte „Blaue Ordensband“. Der Autor lässt unerwähnt, dass der Gutachter auf dem Areal 223 Schmetterlingsarten nachweisen konnte. Man liest zwischen den Zeilen die selbstgefällige, frohlockende Ironie, wenn Walter die fachliche Begutachtung mit einem satirischen Jahreswechsel kurzschließt. In diesem sah seine Redaktion im rituellen Spaßausblick eine Verhinderung der Bebauung durch ökologische Einwände voraus. Ja, super lustig. So geht Denunziation eines Nachdenkens über die Verträglichkeit von Wohnungsbau und Naturschutz auch.

Die Syker Regierungs- und Verwaltungsspitzen haben bislang wenig Rücksichtnahme etwa auf den Baumbestand der „Stadt im Grünen“ erkennen lassen. Wenn Walter hier die Aussicht auf „sozialen Wohnungsbau“ gegen den Naturerhalt ausspielen will, ist dies durchsichtige Parteinahme für vordergründig und vorrangig wirtschaftliche Interessen. Wirtschaftlichkeit und soziale Effekte des Bauprojekts am Hallenbad sind bislang lediglich der Hoffnung entsprungene Thesen. Was „sozial“ und „bezahlbar“ heißt, wäre zu interpretieren. Inzwischen gehören die sozialen und wirtschaftlichen Lasten der Naturzerstörung, sichtbar am Insektensterben, eigentlich zum Allgemeinwissen.

In diesem Artikel erfahren Leserinnen und Leser mehr über den Autor als über das Thema. Gilt die Trennung zwischen Berichterstattung und Kommentar nicht mehr? Ein Journalismus, der die Leserschaft und damit die interessierte Stadtbevölkerung mit Informationen auf den Stand der Debatte bringt und damit zu einer kompetenten Partizipation befähigt, geht anders.

Rainer Beßling

Syke

Leserbriefe geben die Meinung ihrer Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich Kürzungen vor.

Quellenangabe: Kreiszeitung Syke/Weyhe/Stuhr vom 05.04.2022, Seite 10